Neurologie


Entzündungen von Gehirn, Rückenmark und Nerven

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME): Entzündung der Hirnhäute (allein oder kombiniert mit einer Entzündung des Gehirns und selten auch des Rückenmarks), verursacht durch bei einem Zeckenstich übertragene FSME-Viren. Bei Erwachsenen reichen die Beschwerden von grippeähnlichen Symptomen bis hin zu Lähmungen und Bewusstseinsstörungen, zudem besteht die Gefahr von bleibenden Schäden. Bei Kindern verläuft die Erkrankung meistens leicht und heilt folgenlos ab.

Behandelt wird die FSME rein symptomatisch, d. h. mit fiebersenkenden und schmerzlindernden Medikamenten. Zur Vorbeugung gibt es eine Schutzimpfung gegen FSME, ansonsten gilt es, Zeckenstiche durch Schutzmaßnahmen zu vermeiden.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Grippeähnliche Symptome wie Abgeschlagenheit, Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen
  • Später erneuter Fieberanstieg, (heftige) Kopfschmerzen, möglicherweise auch Nackensteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen
  • Lähmungen, Gleichgewichtsstörungen, Sprech- und Schluckstörungen und Bewusstseinsstörungen (bei zusätzlicher Entzündung des Gehirns).

Wann zum Arzt

Heute noch, wenn

  • oben genannte Beschwerden auftreten

Die Erkrankung

Epidemiologie und Übertragung

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis wird durch FSME-Viren ausgelöst, deren Hauptwirte Kleintiernager des Waldes und – selten– auch Ziegen sind. Zecken nehmen beim Stechen dieser Wirtstiere die FSME-Viren auf und übertragen sie dann durch Zeckenstiche auf Menschen. In Risikogebieten sind etwa 3 % der Zecken mit dem FSME-Virus infiziert – wobei nur ein Bruchteil der gestochenen Personen auch tatsächlich erkrankt. Als Risikogebiete gelten große Teile Süddeutschlands, aber auch einzelne Kreise in Rheinland-Pfalz, Hessen und sogar in Niedersachsen gehören laut Robert Koch-Institut inzwischen dazu (Links zu den aktuellen Karten siehe unter "Weiterführende Informationen").

FSME-Infektionen erfolgen vor allem zwischen März und November mit einem Gipfel in den Sommermonaten. Je nach "Zeckenaufkommen" schwanken die jährlichen Erkrankungszahlen, im Jahr 2017 wurden dem Robert Koch-Institut beispielsweise 485 FSME-Erkrankungen gemeldet.

Die meisten Menschen, die von einer mit FSME-Viren infizierten Zecke gestochen werden, zeigen 1–2 Wochen nach dem Stich allenfalls leichte grippeähnliche Beschwerden, die nach einigen Tagen wieder abklingen.

Bei knapp 10 % der Infizierten kommt es jedoch nach 3–4 Wochen zu erneutem Fieberanstieg und einer schweren Entzündung des Nervensystems. In 50 % dieser Fälle bleibt es bei einer reinen Hirnhautentzündung. Bei etwa 40 % der Patienten breitet sich die Entzündung jedoch zusätzlich auf das Gehirn aus und es entwickelt sich eine (Meningoenzephalitis) mit Lähmungen und Bewusstseinsstörungen. Sehr selten kommt es zu einer Entzündung des Rückenmarks (Myelitis).

Diagnosesicherung

Bei Verdacht auf FSME entnimmt der Arzt Blut und Liquor (Entnahme von Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit), um den Erreger direkt nachzuweisen oder nach Antikörpern gegen das FSME-Virus und Entzündungszeichen des Nervensystems zu suchen. Zusätzlich ist manchmal ein Kernspin des Gehirns oder Rückenmarks erforderlich, vor allem, um die wichtigste Differenzialdiagnose, die Herpes-simplex-Gehirnentzündung (Gehirnentzündung) abzugrenzen.

Differenzialdiagnosen. Je nach Ausprägung gibt es zahlreiche andere Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden wie eine FSME verursachen. Dazu gehört an erster Stelle – weil eine sofortige Behandlung erforderlich ist – die Herpes-simplex-Gehirnentzündung. Weitere mögliche Differenzialdiagnosen sind z. B. Hirnhautentzündungen und Hirnentzündungen anderer Ursachen (z. B. Borreliose, Influenza); stehen neurologische Symptome im Vordergrund aber auch Schlaganfall und Hirnblutung.

Behandlung

Patienten mit Verdacht auf eine Frühsommer-Meningoenzephalitis weist der Arzt in ein Krankenhaus ein, weil immer das Risiko einer dramatischen Verschlechterung besteht und sich zum Beispiel eine Atemlähmung entwickeln kann.

Gegen die Infektion selbst gibt es bisher keinen Wirkstoff. Ist die Krankheit ausgebrochen, behandeln die Ärzte die Beschwerden mit Schmerzmitteln und fiebersenkenden Medikamenten, z. B. mit Paracetamol oder Metamizol. Falls die Diagnose nicht eindeutig ist, empfehlen die Leitlinien beim geringsten Verdacht auf eine Herpes-simplex-Gehirnentzündung auch eine sofortige antivirale Behandlung mit Aciclovir (bis zur endgültigen Sicherung der Diagnose).

Bei etwa 5 % der Patienten wird eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich, weil sie eine schwere Bewusstseinsstörung oder Atemlähmung entwickeln. Ein Teil der Patienten benötigt aufgrund von Lähmungen und Sprachstörungen auch krankengymnastische oder logopädische Betreuung.

Prognose

Sind nur die Hirnhäute betroffen, heilt die FSME in der Regel folgenlos aus. Etwa 20 % der Patienten mit zusätzlicher Entzündung des Gehirns behalten dauerhaft Störungen zurück, z. B. Konzentrations- oder Koordinationsstörungen, Hör- oder Sprachschäden sowie Lähmungen.

Ihr Apotheker empfiehlt

Vor einer Frühsommer-Meningoenzephalitis schützen die FSME- oder Zeckenimpfung und das Vermeiden von Zeckenstichen.

Zeckenimpfung

Die Zeckenimpfung (Encepur®, FSME-Immun®) ist ab dem vollendeten 1. Lebensjahr möglich und empfiehlt sich vor allem für Menschen, die in Risikogebieten leben und dort in Kontakt mit Zecken kommen. Geimpft wird insgesamt dreimal im Zeitraum von 9–12 Monaten. Erst dann besteht ein wirksamer Schutz. Die Impfung sollte alle 3–5 Jahre wiederholt werden, wenn weiterhin ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Der Impfstoff ist im Allgemeinen gut verträglich. Trotzdem sollten Kinder unter 3 Jahren erst nach sorgfältiger Risikoabwägung geimpft werden.

Risikogebiete für FSME sind in Deutschland vor allem Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Hinzu kommen weite Teile Österreichs und in der Schweiz. Da sich die Gebiete immer weiter ausbreiten sind jeweils die aktuellen Karten zu beachten (Links unter "Weiterführende Informationen").

Schutz vor Zeckenstichen

  • Zeckenorte meiden. Halten Sie sich möglichst nicht in hohem Gras und Unterholz auf. Zecken sitzen bodennah in der Vegetation, und zwar vor allem in einer Höhe von 30–60 cm. Sie fallen also nicht von den Bäumen, wie häufig behauptet wird.
  • Schützende Kleidung wählen. Tragen Sie beim Spazierengehen oder Wandern geschlossene Kleidung mit langen Ärmeln und lange Hosen. Ziehen Sie die Socken über die Hosenbeine, damit die Zecken nicht so leicht unter die Kleidung krabbeln können. Tragen Sie helle Kleidung – darauf können Sie Zecken besser erkennen.
  • Repellents verwenden. Sprühen Sie Hände, Hals und weitere unbedeckte Körperteile mit zeckenabweisenden Repellents ein.
  • Auf Zecken kontrollieren. Suchen Sie nach dem Spazierengehen oder Wandern Ihre Haut nach Zecken ab, vor allem die Kniekehle, Arme, Hals und Kopf und Intimbereich.
  • Beratung suchen. Informieren Sie sich über die Risikogebiete und lassen Sie sich beraten, ob bei Ihnen eine Impfung gegen FSME sinnvoll ist.
  • Hunde und Katzen vor Zecken schützen! Achten Sie darauf, dass Ihr Haustier keine Zecken mit nach Hause bringt. Vorbeugend wirken sogenannte Spot-on-Lösungen, die direkt auf die Haut aufgebracht werden oder spezielle Zeckenhalsbänder. Inzwischen gibt es auch Tabletten, die bis zu 3 Monate lang gegen Zecken wirken. Die Wirkstoffe der Tabletten schaden den Zecken jedoch in der Regel erst nach dem Biss. Damit verhindern die Tabletten die Kranheitsübertragung an Hund oder Katze. Wird die Zecke jedoch nur im Fell mitgebracht, nimmt sie den Wirkstoff nicht auf und kann sich noch ein anderes Opfer suchen. Daher sollte hier das Fell trotzdem noch auf mitgebrachte Zecken kontrolliert werden.

Weiterführende Informationen

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Gehirnentzündung

Gehirnentzündung (Enzephalitis): Meist infektionsbedingte Entzündung des Gehirns, vor allem durch Viren, seltener durch Bakterien oder auch Pilze. Oft sind die Hirnhäute mitentzündet, sodass streng genommen eine Meningoenzephalitis vorliegt. Eine Gehirnentzündung äußert sich in Beschwerden wie Wesensveränderung, Fieber oder Krämpfen.

Aufgrund drohender Komplikationen muss die Gehirnentzündung im Krankenhaus behandelt werden, dort erhält der Patient meist Antibiotika und virushemmende Medikamente. Die Prognose ist je nach Erreger unterschiedlich, wobei die Sterblichkeit mit 70 % bei einer unbehandelten Herpes-Gehirnentzündung am höchsten ist.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Abnorme Schläfrigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit
  • Psychische Veränderungen, vor allem Unruhe, Verwirrtheit, Halluzinationen und Wahnvorstellungen
  • Lähmungen, Sprachstörungen, Krampfanfälle
  • Fieber oder grippeartige Beschwerden.

Wann zum Arzt

Sofort

  • bei oben beschriebenen Beschwerden.

Die Erkrankung

Häufigste Auslöser der Hirnentzündung sind Viruserkrankungen, beispielsweise Masern, Röteln, Mumps, Grippe, Tollwut, Japanische Enzephalitis und die durch Zecken übertragenen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Ebenso kommen Herpesviren und Windpockenviren als Erreger in Frage.

Bakterien wie Listerien, Typhusbakterien und Borrelien verursachen weitaus seltener eine Gehirnentzündung. Mögliche Erreger aus der Gruppe der Protozoen sind Toxoplasmen und Schistosoma, bei den Pilzen handelt es sich meist um Kryptokokken im Rahmen einer Kryptokokkose.

Neueren Erkenntnissen zufolge gelten auch Prionen als Krankheitsauslöser, also Proteine mit virusähnlichen Eigenschaften. Bekanntestes Beispiel ist der Rinderwahn.

Nicht-infektiös bedingte Ursachen für Gehirnentzündungen sind beispielsweise Krebserkrankungen.

Komplikationen

Da das Gehirn von den Schädelknochen umgeben ist und sich bei Flüssigkeitsveränderungen nicht ausdehnen kann, drohen bei Gehirnentzündungen vor allem Hirndruckerhöhung und Krampfanfälle.

Risikofaktoren

Gefährdet sind vor allem Personengruppen, deren Immunabwehr schwach ist, also sehr alte Menschen und Säuglinge und Menschen mit erkrankungsbedingter Immunschwäche.

Diagnosesicherung

Patienten mit Verdacht auf eine Gehirnentzündung werden in ein Krankenhaus eingewiesen. Neben der gründlichen körperlichen und neurologischen Untersuchung sowie der Befragung des Patienten bzw. seiner Angehörigen (z. B. nach Zeckenstichen oder vorangegangenen Infektionen) veranlasst der Arzt eine Reihe von Untersuchungen. Um die Entzündung nachzuweisen und möglicherweise auch den Erreger festzustellen, wird z. B. Blut und Liquor (Hirnflüssigkeit) abgenommen und untersucht (Liquoruntersuchungen). Meist wird bei einer Gehirnentzündung auch frühzeitig ein CT oder ein Kernspin veranlasst und ein EEG durchgeführt.

Differenzialdiagnosen. Die Beschwerden einer Gehirnentzündung sind recht unspezifisch und kommen z. B. auch vor bei einer Sinusvenenthrombose, Hirnblutungen, Hirntumoren und Hirnhautentzündungen.

Behandlung

Da die Gehirnentzündung eine lebensbedrohliche Erkrankung ist, erhält der Patient so schnell wie möglich, d. h. schon bevor der Erreger nachgewiesen wurde, eine Kombination aus Antibiotika und einem gegen das Herpesvirus gerichteten Medikament (Aciclovir). Wird der Auslöser im weiteren Verlauf durch Blut- oder Liquoruntersuchungen nachgewiesen, wird die medikamentöse Therapie angepasst, also z. B. der nicht erforderliche Wirkstoff abgesetzt oder ein noch spezieller wirksames Medikament verordnet.

Außerdem werden die Patienten intensivmedizinisch überwacht, um eventuellen Komplikationen wie Krampfanfällen und einer Steigerung des Hirndrucks schnell entgegenzuwirken:

  • Vorbeugend gegen erhöhten Hirndruck hilft die Oberkörperhochlagerung. Manchmal verordnen die Ärzte auch Infusionen mit Mannitol. Dieser Zucker soll durch osmotischen Druck Flüssigkeiten aus dem Gehirngewebe in das Blut ziehen, damit diese durch die Niere ausgeschieden wird. In schweren Fällen legen die Ärzte eine Liquordrainage, um die Hirnflüssigkeit über einen Schlauch oder eine dünne Nadel nach außen abzuleiten.
  • Bei Krampfanfällen sind Antikonvulsiva erforderlich.
  • Gegen Schmerzen und Fieber bekommt der Patient fiebersenkende Mittel und Schmerzmitteln, z. B. Ibuprofen oder Paracetamol.

Prognose

Die Heilungsaussichten hängen bei einer Gehirnentzündung davon ab, welcher Erreger sie ausgelöst hat, wie schnell behandelt wurde und wie schwer der Krankheitsverlauf ist, z. B. ob sich Komplikationen entwickeln.

Leichte Gehirnentzündungen im Rahmen einer Grippe bleiben oft unbemerkt und klingen von allein wieder ab. Eine besonders ernste Prognose hat dagegen die Herpes-Gehirnentzündung (Herpes-simplex-Enzephalitis): Unbehandelt versterben 70 % der Betroffenen, mit Therapie immer noch bis zu 20 %.

Häufig bleiben nach Überleben einer Gehirnentzündung Langzeitfolgen zurück. Bei der Herpes-simplex-Enzephalitis haben beispielsweise fast die Hälfte der Überlebenden mit bleibenden Gedächtnisstörungen und Verhaltensauffälligkeiten zu kämpfen.

Ihr Apotheker empfiehlt

Prävention

Einige Erreger von Gehirnentzündungen werden durch die allgemein empfohlenen Impfungen mitbekämpft oder es stehen sogar spezielle Impfstoffe zur Verfügung. Dazu gehören

  • MMR-Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln
  • FSME-Impfung
  • Grippe-Impfung
  • Impfung gegen die Japanische Enzephalitis (für Reisende, die sich länger in Japan aufhalten möchten)
  • Tollwut-Impfung.

Guillain-Barré-Syndrom

(Akutes) Guillain-Barré-Syndrom (GBS, akute inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie AIDP): Rasch einsetzende, vermutlich autoimmun bedingte Entzündung von Nervenwurzeln und Nerven. Typische Beschwerden sind Missempfindungen und Lähmungen, die zunächst die Beine betreffen und sich dann immer weiter Richtung Kopf ausbreiten. Aufgrund der Gefahr einer Atemlähmung werden Patienten mit GBS immer stationär eingewiesen und engmaschig überwacht, die Behandlung erfolgt mit Immunglobulinen oder Plasmapherese.

Die Erkrankung verläuft zwar langwierig und teils lebensbedrohlich, langfristig kommt es aber in über 70 % der Fälle zu einer vollständigen Rückbildung der Symptome.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Beginn oft mit Rücken- und Gliederschmerzen sowie schmerzhaften Missempfindungen an Händen und Füßen
  • Dann innerhalb von Tagen zunehmende Lähmungen, oft von Füßen und Beinen zum Rumpf symmetrisch aufsteigend
  • Ausfall der Gesichtsmuskulatur, Schluckbeschwerden (durch Ausfall der Rachen- und Kehlkopfmuskulatur)
  • Starkes Schwitzen, Herzklopfen, Herzstolpern, schneller Anstieg oder Abfall des Blutdrucks durch Störungen der autonomen Herz-Kreislauffunktionen
  • Verlust der Blasen- und Darmkontinenz
  • Manchmal innerhalb von Stunden fortschreitende Lähmung (Landry-Paralyse)
  • Manchmal Lähmung der Atemmuskulatur.

Wann zum Arzt

Sofort, wenn

  • die oben genannten Symptome auftreten und schnell zunehmen.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Beim Guillain-Barré-Syndrom kommt es zu einer Autoimmunreaktion gegen Nervenwurzeln und Nerven: Die "fehlgeprägten" Abwehrzellen und die von ihnen produzierten Abwehrstoffe im Blut greifen dabei vor allem die Markscheiden der Nervenwurzeln und Nerven an. Durch deren Zerstörung werden die Nervenimpulse nur noch schwach oder gar nicht mehr übertragen. Sind motorische Nerven betroffen, kommt es zu Muskelschwäche und Lähmungen.

Auslöser

Was genau zu einer solchen Autoimmunreaktion führt, ist noch nicht abschließend geklärt. In 2/3 der Fälle geht eine virale oder bakterielle Infektion der Atemwege oder des Magen-Darm-Traktes voraus. Vor allem Campylobacter jejuni gilt als Auslöser, vermutet wird auch ein Zusammenhang mit dem Ebstein-Barr-Virus, Zytomegalieviren, Mykoplasma pneumoniae und Zika-Viren.

Neben infektiösen Erregern diskutieren die Ärzte auch andere Ursachen eines GBS. Manchmal tritt es in Zusammenhang mit Operationen und Schwangerschaften auf, wobei der zugrundeliegende Krankheitsmechanismus unklar ist. Nicht bestätigen lässt sich, dass Impfungen der Auslöser sind: Studien ergaben, dass die Rate der am Guillain-Barré-Syndrom-Erkrankten bei geimpften Personen nicht höher ist als bei ungeimpften, die Grippe-Impfung soll das Risiko für das Entstehen eines GBS sogar eher senken als erhöhen.

Klinik und Verlauf

Das Guillain-Barré-Syndrom beginnt oft mit Schmerzen in Beinen und Rücken, die leicht mit "Ischias" verwechselt werden. Auch Muskelschwäche und Lähmungen entwickeln sich zunächst in den Beinen, breiten sich dann aber aus und erreichen den Rumpf, die Arme und sogar den Kopf (aufsteigende Lähmung). Besonders gefürchtet ist beim GBS die Atemlähmung, aber auch die durch Befall des vegetativen Nervensystems drohende Herzrhythmusstörung.

Die psychische Belastung für die Betroffenen ist enorm: Sie erleben die fortschreitenden Lähmungen bei vollem Bewusstsein. Schwer Erkrankte sind praktisch bewegungsunfähig, müssen künstlich ernährt und beatmet werden und benötigen sogar (zeitweise) einen Herzschrittmacher.

Das Krankheitsgeschehen hat einen höchst variablen Verlauf. Selten entwickelt es sich innerhalb von Stunden, meist aber innerhalb von Tagen bis höchstens vier Wochen. Es kann jederzeit stillstehen, aber auch den gesamten Körper erfassen. Die Symptome erreichen nach 2–4 Wochen ihren Höchststand und bilden sich dann langsam – in umgekehrter Reihenfolge wie ihr Auftreten – von selbst wieder zurück.

Diagnosesicherung

Bei Verdacht auf Guillain-Barré-Syndrom muss der Betroffene zügig ins Krankenhaus, wo die Ärzte neben der engmaschigen Überwachung auch die Diagnostik einleiten.

Manchmal lassen sich im Blut Erreger wie z. B. Campylobacter jejuni nachweisen. Meist veranlasst der Arzt auch eine Lumbalpunktion. In der gewonnenen Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) spricht eine Erhöhung des Eiweiß bei ansonsten normaler Zellzahl für ein GBS. In frühen Phasen kann der Liquor allerdings auch noch ganz unauffällig sein.

Die Funktion der Nerven und mögliche Organfolgen überprüft der Neurologe mit verschiedenen Untersuchungen:

  • Elektroneurografie. Mit diesem Verfahren lässt sich die Nervenleitfähigkeit testen, die aufgrund der beschädigten Myelinscheiden herabgesetzt ist.
  • Elektromyogramm. Hier testet der Arzt die elektrische Muskelaktivität, sie spiegelt z. B. eine Denervierung durch geschädigte Nerven wider.
  • EKG. Das EKG ist wichtig, um drohende Herzrhythmusstörungen zu erkennen.
  • Lungenfunktionsprüfung. Vor allem die Messung der Vitalkapazität dient zur engmaschigen Kontrolle der Atemmuskulatur.
  • Differenzialdiagnosen. Mit Lähmungen gehen viele Erkrankungen einher, typische Beispiele sind der Bandscheibenvorfall, Poliomyelitis, Neuroborreliose, Querschnittsmyelitis, Gehirnentzündungen und Vergiftungen, z. B. Botulismus.

Behandlung

Zur Kontrolle der Vitalfunktionen wie Puls und Blutdruck wird der Patient in der Klinik meist an einen Monitor angeschlossen. Tauchen dabei ernstzunehmende Herzrhythmusstörungen auf, implantieren die Ärzte vorübergehend einen Herzschrittmacher.

Um eine sich entwickelnde Atemlähmung nicht zu übersehen, überprüft man in regelmäßigen Abständen die Lungenfunktion und die Blutgase. Sinkt der Sauerstoffdruck im Blut unter 70 mmHg oder steigt der Kohlendioxidgehalt auf über 45 mmHg an, intubieren die Ärzte den Patienten und leiten eine assistierte Beatmung ein.

Als medikamentöse Therapien steht die Gabe von Immunglobulinen und die Plasmapherese zur Verfügung. Beide Verfahren sind als gleichwertig anzusehen, eine Kombination bringt jedoch keinen zusätzlichen Effekt.

  • Die hochdosierten Immunglobuline sollen die fehlgeschaltete Immunreaktion eindämmen. Sie werden über 5 Tage hinweg täglich über eine Vene infundiert. Mögliche Nebenwirkungen sind Unverträglichkeitsreaktionen und Kopfschmerzen.
  • Bei der Plasmapherese (Plasmaaustausch) leitet man das Blut wie bei einer Dialyse durch eine Maschine, in der die flüssigen Bestandteile (also das Plasma) inklusive Antikörpern entfernt und mit einer Eiweißlösung ersetzt werden. Bei leichtem GBS (Gehfähigkeit ist noch erhalten) empfehlen die Ärzte 2 Plasmapheresen, bei schwereren Formen bis zu 5 Plasmapheresen im Abstand von jeweils 2 Tagen. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören Missempfindungen, Herz-Kreislauf-Komplikationen und Muskelkrämpfe.

Prognose

Gelingt es, die kritische Zeit zu überbrücken, sind die Aussichten gut: 70 % der Patienten genesen vollständig. Die Rückbildung kann allerdings Monate dauern, oft ist ein langer Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik unvermeidlich.

Etwa 2–3 % der Patienten versterben an den Komplikationen der Krankheit, z. B. an Atemlähmung oder Herzrhythmusstörungen.

Weiterführende Informationen

  • www.gbsinfo.de – Deutsche GBS Initiative e. V., Mönchengladbach: Informative Internetseite mit medizinischen Informationen, Erfahrungsberichten, weiterführenden Links und Adressen. Die Deutsche GBS Initiative e. V. besteht bundesweit aus mehreren Landesverbänden, Regionalverbänden und Ortsverbänden.
  • www.gbs-shg.de – Bundesverband Deutsche GBS-Vereinigung e. V., Sinsheim: Zwar eher wenig medizinische Informationen, aber bundesweit organisierte Selbsthilfegruppe.

Hirnhautentzündung

Hirnhautentzündung (Meningitis): Vor allem durch Bakterien oder Viren ausgelöste Entzündung der Hirnhäute, die mit typischen Beschwerden wie Fieber, Kopfschmerzen und Nackensteife einhergeht. Eine Hirnhautentzündung tritt überwiegend im Kleinkind- bis Jugendalter auf; im Erwachsenenalter sind ältere Menschen und Abwehrgeschwächte besonders gefährdet.

Die Behandlung erfolgt im Krankenhaus, bei bakteriell bedingter Meningitis unverzüglich mit Antibiotika. Aufgrund der gefährlichen Komplikationen wie Hirndruckerhöhung oder Krampfanfällen müssen die Patienten engmaschig überwacht werden.

Die Erkrankung ist lebensgefährlich: ca. 20 % der Betroffenen versterben, wobei der Verlauf stark abhängig ist vom zugrunde liegenden Erreger und der Konstitution des Betroffenen. Ein Drittel der Überlebenden leidet unter Dauerfolgen wie z. B. Schwerhörigkeit.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Meist hohes Fieber
  • Schweres Krankheitsgefühl
  • Starke Kopfschmerzen
  • Meningismus: Nackensteife und starke Schmerzen beim Versuch, den Kopf nach vorn auf die Brust zu beugen
  • Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschüberempfindlichkeit
  • Schläfrigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit
  • Manchmal vorangegangener Atemwegsinfekt.

Wann zum Arzt

Sofort, wenn

  • die oben genannten Beschwerden auftreten.

Die Erkrankung

Ursachen und Risikofaktoren

Häufigste Erreger einer Hirnhautentzündung sind Viren (z. B. Coxsackie-, Echo-, Herpes oder Frühsommer-Meningoenzephalitis-(FSME)-Viren) gefolgt von Bakterien (vor allem Meningokokken und Pneumokokken, aber auch Haemophilus influenzae). Als seltenere Auslöser gelten Pilze, Parasiten oder Tuberkuloseerreger.

Meist steht ein scheinbar harmloser Racheninfekt oder eine Lungenentzündung am Anfang des Geschehens. Die Erreger gelangen ins Blut und mit ihm in alle Organe des Körpers. Bei einem kleinen Teil der Erkrankten setzen sich die Erreger aus unbekannten Gründen in den Hirnhäuten fest und führen dort zu einer Entzündung. Bakterien können außerdem bei schweren Entzündungen im Kopfbereich (z. B. des Ohrs) oder über eine nicht erkannte Schädelbasisverletzung direkt zu den Hirnhäuten gelangen. Mitunter bleibt der Infektionsweg auch unklar.

Daneben sind auch nicht-infektiöse Hirnhautentzündungen bekannt, z. B. im Rahmen einer Sarkoidose oder durch metastatisch ausgebreitete Tumorzellen bei Krebserkrankungen.

Formen

Die meisten Hirnhautentzündungen verlaufen akut und bilden sich rasch aus, manche brauchen dagegen Zeit, bis sie sich bemerkbar machen.

  • Typisch für bakterielle Hirnhautentzündungen, insbesondere durch Meningokokken, ist die schnelle Entwicklung eines lebensbedrohlichen Krankheitsbilds, oft innerhalb weniger Stunden.
  • Virusbedingte Hirnhautentzündungen setzen etwas langsamer ein, oft nach Anzeichen eines "grippalen Infekts" in den vorangegangenen Tagen, und verlaufen oft milder. Bei einigen Viren, etwa Herpesviren, sind allerdings schwere und sogar lebensbedrohliche Verläufe häufig.
  • Seltener macht sich eine Hirnhautentzündung durch über Wochen zunehmende Beschwerden bemerkbar. Typisch ist dies aber für die Hirnhautentzündung durch Tuberkulosebakterien oder Borrelien.

Komplikationen

Nicht selten greift die Hirnhautentzündung auch auf das Gehirn über. Die Kombination aus Hirnhaut- und Gehirnentzündung heißt Meningoenzephalitis.

Weitere gefährliche Komplikationen einer Hirnhautentzündung sind

  • Hirnödem und Hirndrucksteigerung
  • Septische Sinusvenenthrombose
  • Hydrozephalus
  • Schädigung des Hörapparates mit Taubheit und Schwindel
  • Hirnnervenlähmungen
  • Epileptische Krampfanfälle
  • Hirnabszess, d. h. eine eitrige Gewebeeinschmelzung mit Abkapselung, nur bei bakterieller Hirnhautentzündung
  • Meningokokkensepsis durch Übertritt der Keime in das Blut
  • Schock und Gerinnungsstörungen, als Maximalvariante droht das Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom (lebensgefährlich, sehr hohe Sterblichkeit!).

Diagnosesicherung

Kopfschmerzen, Fieber und Nackensteife lassen den Arzt meist schnell an eine Hirnhautentzündung denken. Da entzündete Hirnhäute verstärkt schmerzen, sobald man sie unter Zugspannung setzt, kann der Arzt die Verdachtsdiagnose anhand verschiedener körperlicher Untersuchungsverfahren untermauern. Dazu gehören beispielsweise

  • Brudzinski-Zeichen: Wird bei dem auf dem Rücken liegenden Patienten der Kopf nach vorne gebeugt (Kinn berührt Brustbein), so werden automatisch die Beine angezogen, um die Schmerzen zu vermeiden
  • Kniekusszeichen: Der Patient richtet sich nach vorne auf und kann sein angewinkeltes Knie schmerzbedingt nicht "küssen".

Besteht der Verdacht auf eine Hirnhautentzündung, ist eine stationäre Einweisung meist unumgänglich. Dort sind die wichtigsten Erstmaßnahmen die unverzügliche Entnahme von Blut und Liquor (Hirnflüssigkeit) zur Identifizierung des Erregers sowie die sofortige Gabe von Antibiotika (siehe Behandlung).

Den Liquor gewinnen die Ärzte mithilfe einer Lumbalpunktion. Bei der nachfolgenden Liquoruntersuchung wird die Hirnflüssigkeit auf ihre Zusammensetzung und auf verschiedene Erreger geprüft. Oft ist schon durch die mikroskopische Untersuchung eine Unterscheidung zwischen bakterieller und viraler Hirnhautentzündung möglich, für manche Erreger gibt es auch Schnelltests. Um einen etwaigen Entzündungsherd nachzuweisen, veranlassen die Ärzte meist noch am gleichen Tag eine CT oder eine Kernspintomografie.

Differenzialdiagnosen. Ähnliche Beschwerden hervorrufen können beispielsweise eine schwere Migräne, die Mittelohrentzündung, Gehirntumoren, Hirnblutungen (vor allem die Subarachnoidalblutung bei geplatztem Hirnarterienaneurysma), aber auch Vergiftungen und schwere allgemeine Infektionen wie die echte Grippe (Influenza).

Behandlung

Soforttherapie. Sobald die Ärzte Blut und Liquor entnommen haben, starten sie eine intravenöse Antibiotikatherapie mit einem gegen viele Bakterienarten wirksamen Breitspektrumantibiotikum – aufgrund der drohenden Lebensgefahr auch ohne 100%ige Gewissheit, dass Bakterien die Verursacher sind. Im Zweifelsfall und beim geringsten Verdacht auf eine Herpes-Meningoenzephalitis entscheiden sie sich auch für die zusätzliche intravenöse Gabe eines Virostatikums (z. B. Aciclovir), da die Risiken bei einer – eventuell sogar überflüssigen – Medikamentengabe weit geringer sind als das einer verspäteten Behandlung. Wenige Stunden können bei einer Hirnhautentzündung zwischen Überleben und Tod oder zwischen völliger Ausheilung und Dauerschäden entscheiden.

Erwachsene Patienten bekommen bei Verdacht auf eine bakterielle Hirnhautentzündung zusätzlich intravenös Kortison, weil Studien ergeben haben, dass dadurch nachfolgende Hörschäden und andere neurologische Folgen seltener auftreten. Außerdem senkt Kortison die Sterblichkeitsrate bei der Pneumokokken-bedingten Hirnhautentzündung.

Therapie nach Erregernachweis. Wenn im Blut oder Liquor ein Erregernachweis gelingt, passen die Ärzte die Therapie daran an. Bei Bakterien wechseln die Ärzte oft vom Breitspektrumantibiotikum auf einen spezifischen antibakteriellen Wirkstoff, der das diagnostizierte Bakterium besser bekämpft. Sind Parasiten, Tuberkelbakterien oder Pilze die Auslöser, wird die Therapie ebenfalls entsprechend angepasst.

Lassen sich Viren nachweisen, wird das Breitspektrumantibiotikum abgesetzt. Bei einer unkomplizierten viralen Hirnhautentzündung reicht häufig die symptomatische Therapie. Bei nachgewiesenen Herpes- oder Windpockenviren wird ein Virostatikum, z. B. Aciclovir über die Vene gegeben. Zytomegalieviren können, falls erforderlich, mit Ganciclovir und gegebenenfalls als Kombination mit Foscarnet bekämpft werden.

Weitere Therapiemaßnahmen

Patienten mit einer Hirnhautentzündung benötigen meist eine engmaschige Überwachung auf der Intensivstation oder in einer neurologischen Abteilung. Besonderes Augenmerk liegt darauf, ob sich Komplikationen entwickeln.

  • Vorbeugend gegen erhöhten Hirndruck hilft die Oberkörperhochlagerung. Manchmal verordnen die Ärzte auch Infusionen mit Mannitol. Dabei handelt es sich um einen Zucker, der durch osmotischen Druck Flüssigkeiten aus dem Gehirngewebe in das Blut zieht, damit diese durch die Niere ausgeschieden werden können. In schweren Fällen legen die Ärzte auch eine Liquordrainage und leiten die Hirnflüssigkeit über einen Schlauch oder eine dünne Nadel nach außen ab.
  • Bei Krampfanfällen sind Antikonvulsiva erforderlich.
  • Eine Sinusvenenthrombose behandeln die Ärzte durch Hemmung der Blutgerinnung, meist mit Heparininfusionen.
  • Gegen Schmerzen und Fieber bekommt der Patient fiebersenkende Mittel und Schmerzmitteln z. B. Ibuprofen oder Paracetamol.

Isolierung und Postexpositionsprophylaxe

Liegt der Hirnhautentzündung eine Infektion mit Meningokokken zugrunde, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich, um die Übertragung (als Tröpfchenübertragung) auf Kontaktpersonen zu verhindern.

Isolation. Um Ansteckungen zu vermeiden, wird der Patient die ersten 24 Stunden nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie isoliert. Pflegepersonal und Besucher müssen dann bei Kontakt mit dem Erkrankten Atemschutzmasken, Schutzkittel und Handschuhe tragen und die Hände desinfizieren.

Antibiotische Postexpositionprophylaxe. Personen, die im Zeitraum von einer Woche vor bis 24 Stunden nach Beginn einer wirkungsvollen antibiotischen Therapie engen Kontakt mit dem Patienten hatten, wird die vorbeugende Einnahme von Antibiotika empfohlen (z. B. Rifampicin über 2 Tage, Schwangeren stattdessen Ceftriaxon intravenös oder intramuskulär). Als enger Kontakt gilt z. B. das Zusammenleben in einem Haushalt, einem Wohnheim, aber auch benachbartes Sitzen in der Schule oder Pflege.

Postexpositionelle Impfung. Auch die Impfung gegen Meningokokken ist als vorbeugende Maßnahme möglich. In Erwägung ziehen sollten das enge Kontaktpersonen, z. B. Mitglieder aus dem gleichen Haushalt.

Meldepflicht

Patienten, die an einer Hirnhautentzündung durch Meningokokken oder an einer Meningokokkensepsis erkrankt sind, die versterben oder bei denen ein Verdacht auf Erkrankung besteht, muss der Arzt nach Paragraph 6 lfSG namentlich an das Gesundheitsamt melden.

Prognose

Die unkomplizierte virale Hirnhautentzündung verheilt meist spontan ohne weitere Folgen. Eine Hirnhautentzündung durch Herpesviren, die sich auf das Gehirngewebe ausbreitet (Herpesmeningoenzephalitis) hat unter Therapie mit einem Virostatikum eine Sterblichkeit von von 20–30 %.

Die bakterielle Meningitis hat eine Sterblichkeit von bis zu 30 %. Bei jedem dritten Patienten bleiben neurologische Störungen zurück, vor allem Schwerhörigkeit.

Ihr Apotheker empfiehlt

Prävention

Eine Hirnhautentzündung wird durch zahlreiche Erreger verursacht. Vor manchen kann man sich schützen. Folgende Impfungen werden empfohlen:

  • Meningokokkenimpfung.. Die Meningokokkenmeningitis betrifft vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch Laborpersonal, Immungeschwächte oder Reisende sind gefährdet. Gegen die Meningokokkentypen A, B, C, W und Y gibt es Impfstoffe, die je nach Exposition empfohlen werden
    • Impfstoff gegen Meningokokken vom Typ C als Standardimpfung für alle Kinder im 2. Lebensjahr
    • Impfstoff gegen Meningokokken vom Typ A, C, W135 und Y (ACWY-Impfstoff) sowie gegen Typ B als Indikationsimpfung für Personen mit angeborener Immunschwäche oder Asplenie (ohne Milz)
    • ACWY-Impfstoff sowie gegen Typ B als berufsbedingte Impfung für Laborpersonal
    • ACWY-Impfstoff als Reiseimpfung bei Reisen in Endemiegebiete
    • Postexpositionelle Impfung mit dem ACWY-Impfstoff für Personen, die im selben Haushalt leben wie der Erkrankte
  • Pneumokokkenimpfung. Ebenfalls seit 2006 für alle Kinder im ersten Lebensjahr empfohlen ist die Pneumokokkenimpfung. Ältere und abwehrgeschwächte Menschen sowie Träger von Cochlea-Implantaten sind ebenfalls besonders gefährdet. Ihnen wird eine Impfung empfohlen, die alle sechs Jahre aufgefrischt werden muss
  • Hib-Impfung. Auch eine Impfung gegen Hämophilus influenza beugt Hirnhautentzündungen vor. Empfohlen wird die sogenannte Hib-Impfung allen Kindern. Die letzte der nötigen vier Impfdosen soll im 14. Lebensmonat verabreicht werden
  • FSME-Impfung. Geimpft werden kann auch gegen die in Teilen Deutschlands und Osteuropas auftretende FSME
  • MMR-Impfung. Die standardmäßig für Kinder empfohlen Impfung gegen Masern, Röteln und Mumps schützt ebenfalls vor Hirnhautentzündungen, die durch diese Viren ausgelöst werden.

Weiterführende Informationen

Leitlinie virale Meningoenzephalitis: https://www.dgn.org/leitlinien/3702-ll-030-100-virale-meningoenzephalitis-2018

Leitlinie ambulant erworbene bakterielle (eitrige) Meningoenzephalitis im Erwachsenenalter: https://www.dgn.org/leitlinien/3230-030-089-ambulant-erworbene-bakterielle-eitrige-meningoenzephalitis-im-erwachsenenalter-2015

Idiopathische Gesichtslähmung

Idiopathische Gesichtslähmung (idiopathische Fazialisparese): Ursächlich unklare, wahrscheinlich entzündlich bedingte Lähmung der Gesichtsmuskulatur mit überwiegend guten Aussichten für den Betroffenen. In über 80 % verschwindet die Lähmung nach 4–10 Wochen von selbst.

Leitbeschwerden

  • Einseitige Schwäche oder vollständige Lähmung der Gesichtsmuskeln mit Gesichtsasymmetrie beim Versuch, die Stirn zu runzeln oder die Backen fest aufzublasen, sowie unvollständiger Augenschluss
  • Oft Bemerken der Beschwerden am Morgen („verzogenes“ Gesicht beim morgendlichen Blick in den Spiegel) mit Verstärkung in den nächsten Stunden
  • Möglicherweise Lärmempfindlichkeit
  • Möglicherweise Geschmacksstörungen
  • Möglicherweise beeinträchtigte Tränen- oder Speichelsekretion
  • Keine Schmerzen.

Wann zum Arzt

Heute noch, wenn das Gesicht unerwartet asymmetrisch oder eine Gesichtsseite eindeutig gelähmt ist.

Die Erkrankung

Bis heute ist die Ursache der idiopathischen Gesichtslähmung unklar. Am wahrscheinlichsten ist eine Entzündung des Fazialisnervs, möglicherweise ausgelöst durch das Herpes-simplex-Virus, das auch die Lippenbläschen hervorruft.

Der Gesichtsnerv (Fazialisnerv, Nervus facialis) ist zuständig für die Bewegungen der mimischen Gesichtsmuskulatur. Zudem versorgt er die Speichel- und die Tränendrüsen sowie zwei kleine Muskeln im Mittelohr, die verhindern, dass laute Töne mit voller Wucht zum Innenohr gelangen. Darüber hinaus leitet der Fazialisnerv die Geschmacksempfindungen der Zunge zum Gehirn. Je nachdem, wo genau die (mutmaßliche) Entzündung sitzt, kommt es daher zu weiteren Beschwerden, wobei die Geschmacksstörungen den Betroffenen neben der Gesichtslähmung oft am meisten belasten.

In seltenen Fällen kann hinter einer Gesichtslähmung ein Tumor der Ohrspeicheldrüse stecken.

Das macht der Arzt

Neben der neurologischen Untersuchung sind immer auch eine Abklärung durch den Hals-Nasen-Ohren-Arzt sowie Blutuntersuchungen erforderlich, um eine Borrelieninfektion, eine Herpes-Zoster-Infektion oder Tumoren der Ohrspeicheldrüse auszuschließen. Nur wenn sich hier Verdachtsmomente ergeben, sind weitere Untersuchungen nötig.

Empfohlen wird die möglichst frühzeitige Gabe von Kortison in Form von Tabletten für etwa eine Woche, damit die Entzündung schneller abklingt. Ob zusätzlich virushemmende Medikamente helfen, ist fraglich.

Bei unvollständigem Augenschluss droht die Hornhaut auszutrocknen und dadurch Schaden zu nehmen. Dem kann durch das Einträufeln von Augentropfen tagsüber und das Einbringen von Augensalbe sowie das Anlegen eines Fertig-Uhrglasverbands über Nacht vorgebeugt werden.

Bei über 80 % der Betroffenen bildet sich die Lähmung (fast) vollständig zurück, sodass keine störenden Ausfälle zurückbleiben. Bei weniger als 10 % der Erkrankten tritt später eine erneute Lähmung auf, die aber häufig ebenfalls ausheilt.

Selbsthilfe

Sie können die Heilung durch Bewegungsübungen unterstützen, die Sie zweimal täglich vor dem Spiegel ausführen. Die hierzu notwendige Anleitung durch einen Physiotherapeuten verordnet der Arzt.

Multiple Sklerose (MS)

Multiple Sklerose (MS, Encephalomyelitis disseminata, ED): Abrupt oder schleichend einsetzende, oft in Schüben verlaufende, chronisch-entzündliche Erkrankung von Gehirn und Rückenmark, die durch eine herdförmige Entmarkung von Nervensträngen gekennzeichnet ist. Die Krankheit beginnt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, Frauen erkranken häufiger als Männer. In den westlichen Industrieländern ist die Multiple Sklerose bei den unter 50-Jährigen die häufigste chronische neurologische Erkrankung, in Deutschland gibt es rund 120.000 Betroffene.

Der Krankheitsverlauf variiert von (scheinbaren) Heilungen bis hin zu rasch eintretender Invalidität; insgesamt ist er günstiger als meist vermutet: Zwei Drittel der Betroffenen werden bei frühzeitigem Therapiebeginn auch nach langem Verlauf nicht pflegebedürftig, wobei die Prognose der schubförmigen Verlaufsform besser ist als die der progredienten.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Empfindungsstörungen, vor allem Taubheitsgefühl ("Pelzigsein"), Kribbelgefühl ("Ameisenlaufen"), vermindertes Berührungsempfinden
  • Sehstörungen (meist einseitig), insbesondere verschwommenes Sehen, Doppelbilder, häufig auch Augenschmerzen
  • Schwächegefühl und Lähmungen, häufig in den Beinen, möglicherweise mit unsicherem, breitschrittigem (breitbasigem) Gangbild ("Seemannsgang")
  • Anhaltende Müdigkeit und Abgeschlagenheit (Fatigue)
  • Sprechstörungen, vor allem undeutliche, "abgehackte" Sprache
  • Eventuell Blasen- und/oder Mastdarmfunktionsstörungen.

Art und Intensität der Symptome sind individuell unterschiedlich, je nachdem, welche Bereiche des zentralen Nervensystems betroffen sind.

Wann zum Arzt

Am nächsten Tag, wenn

  • nicht erklärbare Empfindungsstörungen und/oder Schwächegefühle in den Beinen auftreten oder man selbst oder andere meinen, die Sprache oder der Gang habe sich verändert.

Heute noch, wenn

  • man auf einmal das Gefühl hat, schlechter zu sehen oder (leichte) Lähmungen auftreten.

Sofort, wenn

  • starke Sehstörungen auftreten oder die Blasen- oder Darmkontrolle beeinträchtigt sind.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Die Informationen im Nervensystem werden über lange, dünne Nervenzellfortsätze weitergeleitet, die von einer isolierenden fetthaltigen Markscheide (Myelinscheide) umgeben sind. Infolge des Autoimmunprozesses zerstören körpereigene Abwehrzellen diese Markscheiden (Demyelinisierung) und führen an vielen Stellen in Gehirn und/oder Rückenmark zu einer Entzündung. Dadurch ist die Informationsleitung an diesen Stellen erschwert oder gar unmöglich. Sind kritische Stellen von diesem "Informationsstopp" betroffen, erfolgen Ausfälle wie etwa Sehstörungen. Es kann aber auch sein, dass der Entzündungsherd (Plaque) völlig unbemerkt bleibt. Im weiteren Verlauf klingt die Entzündung wieder ab, die Beschwerden bessern sich oder verschwinden sogar wieder, bis nach Monaten oder Jahren ein neuer Entzündungsherd mit entsprechenden Beschwerden entsteht. In diesem Fall spricht man von der schubförmig remittierenden Verlaufsform der MS, die mit rund 85 % am häufigsten ist. Was den einzelnen Schub ausgelöst hat, bleibt in aller Regel unklar.

Mit der Zeit können die Nervenfortsätze selbst zugrunde gehen, aber auch eine Narbenbildung als Reaktion auf die Entzündung verschlechtert die Informationsweiterleitung. Dies könnte erklären, warum bei nicht wenigen Betroffenen nach anfänglich schubförmigem Verlauf die Beschwerden nach Jahren zunehmen, ohne dass Schübe nachweisbar sind. Hier spricht der Arzt von der sekundär progredienten MS, die immer als schubförmig remittierende Form beginnt und daher als das zweite Stadium der Erkrankung angesehen wird. Wird rechtzeitig therapiert, lässt sich der Übergang zum sekundär progredienten Stadium hinauszögern.

Die zweithäufigste Form (15 % aller Betroffenen) ist die primär progrediente MS. Erste Symptome zeigen sich hier meist um das 40. Lebensjahr. Hier fehlen die klassischen Schübe, vielmehr nehmen die Beschwerden von Beginn der Erkrankung an langsam, aber stetig zu.

Die mit knapp 2 % seltenste Form ist die sogenannte fulminant verlaufende MS, die auch als maligne MS oder Marburg-Variante bezeichnet wird und an der vor allem jungen Menschen erkranken. Typisch ist der rasante Verlauf, der innerhalb weniger Wochen bis Monate zum Tode führen kann.

Klinik

Welche Beschwerden auftreten, hängt davon ab, an welcher Stelle sich der Entzündungsherd befindet. Im Prinzip sind also sehr viele Krankheitszeichen möglich, doch kommen einige Störungen besonders häufig vor, so z. B. Seh- und Empfindungsstörungen zu Beginn der Erkrankung. Meist sind die Beschwerden leicht und dauern nur kurz, sodass sie oft fehlgedeutet werden.

Im Laufe der Jahre treten bei über 80 % der Betroffenen Lähmungen auf, die unterschiedlich stark sind. Rumpfferne Extremitätenabschnitte sind häufiger betroffen als rumpfnahe, die Beine stärker als die Arme. Typischerweise ist dabei die Muskelgrundspannung zu hoch (spastische Lähmung), was Bewegungen zusätzlich erschwert. Auch ist die Feinabstimmung der Bewegungen gestört; dies zeigt sich z. B. durch undeutliches oder "abgehacktes" Sprechen, zittrige oder überschießende Bewegungen.

Anfangs ebenfalls selten, aber mit zunehmender Erkrankungsdauer häufiger, sind Störungen der Blasenfunktion, vor allem ein plötzlicher Harndrang, der so heftig werden kann, dass die Betroffenen nicht mehr rechtzeitig die Toilette erreichen. Typisch sind auch Störungen der Sexualfunktion.

Psychische Veränderungen wie Euphorie, depressive Verstimmungen und Konzentrationsstörungen sind möglich und in ihrer Häufigkeit schwerer zu beziffern als "messbare" Beschwerden. Als charakteristisch für Multiple Sklerose gilt die sogenannte Fatigue – eine erhöhte Müdigkeit, die so stark sein kann, dass Betroffene nicht mehr arbeitsfähig sind.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache der Multiplen Sklerose ist nach wie vor unklar. Nach heutigem Kenntnisstand führen äußere Einflüsse auf dem Boden einer erblichen Veranlagung zu Autoimmunprozessen ("Selbstbekämpfungsvorgängen") in Gehirn und Rückenmark, die dann 10–20 Jahre später in die Erkrankung münden.

Welches Gewicht dabei der erblichen Veranlagung und welches den äußeren Faktoren zukommt, kann nicht genau benannt werden. Wahrscheinlich spielt die erbliche Veranlagung die weit geringere Rolle. Obwohl enge Verwandte ein höheres Krankheitsrisiko haben, ist dieses in absoluten Zahlen gering (etwa 1 %).

Auch über die äußeren Einflüsse, die den Autoimmunprozess in Gang setzen, ist wenig bekannt. Studien legen nahe, dass sie in den ersten 15–20 Lebensjahren einwirken. Die wahrscheinlichsten Faktoren sind Infektionen, vor allem Virusinfektionen. So deuten beispielsweise mehrere Untersuchungen darauf hin, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus – dem Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers – im frühen Kindes- oder Jugendalter das Risiko für eine MS-Erkrankung erhöht. Eindeutige Belege hierfür fehlen aber bislang.

Auch Rauchen und erniedrigte Vitamin-D-Werte werden als Risikofaktoren diskutiert.

Diagnosesicherung

Besteht nach einer neurologischen Untersuchung ein Anfangsverdacht, sollen die evozierten Potenziale und ein Kernspin des Gehirns und/oder des Rückenmarks weitere, bis dahin unbemerkte Herde aufdecken, wobei Herde an verschiedenen Stellen des zentralen Nervensystems ein wesentliches Diagnosekriterium sind.

Da das klinische Bild zunächst selten wirklich eindeutig ist, und die Diagnose Multiple Sklerose folgenschwer ist, wird die definitive Diagnose in der Praxis nur gestellt, wenn durch Folgeuntersuchungen eine Reihe von Kriterien erfüllt werden:

  • Nachgewiesene Entzündungen zu verschiedenen Zeitpunkten an unterschiedlichen Stellen in Gehirn und/oder Rückenmark. Denn es gibt nicht wenige Menschen, die nur einmal in ihrem Leben Multiple-Sklerose-verdächtige Beschwerden haben und bei denen sich trotz Ausschöpfung der heutigen diagnostischen Möglichkeiten nicht feststellen lässt, woher diese rühren. Hier sprechen die Ärzte von einem sogenannten klinisch isolierten Syndrom (KIS, englisch CIS)
  • Der Nachweis einer verzögerten Erregungsleitung in den evozierten Potenzialen, die mit der MS-typischen Nervenschädigung korrespondiert
  • Zellvermehrungen im Liquor (Flüssigkeit, die das Gehirn und Rückenmark umgibt) als Ausdruck der Entzündung und/oder Immunglobuline, die im Blut fehlen. Hier sprechen die Ärzte von A:36e91oligoklonalen Banden des Immunglobulin G (IgG). Das sind bestimmte Verteilungsmuster, die sich mit einem speziellen Untersuchungsverfahren nachweisen lassen. Oligoklonale Banden sind jedoch kein sicherer Beweis für eine Multiple Sklerose, sondern bedeuten nur, dass im Zentralnervensystem selbst Immunglobuline gebildet worden sind
  • Der Ausschluss anderer infrage kommender Erkrankungen wie etwa eine Borreliose durch Blutuntersuchungen.

Behandlung

Ziele der Behandlung sind das möglichst rasche Abklingen der Beschwerden im Schub, die Unterdrückung weiterer Schübe, die Bekämpfung belastender Beschwerden und das Verhindern von Komplikationen. Wichtigste Säule der Therapie ist der Einsatz von Medikamenten; physiotherapeutische Maßnahmen helfen, (zurückbleibende) Störungen zu mindern.

Bei der medikamentösen Behandlung unterscheidet man zwischen der Schubtherapie, also der kurzfristigen Behandlung akuter MS-Schübe, und der verlaufsmodifizierenden Therapie, die als Langzeitbehandlung ausgerichtet ist und sowohl die Häufigkeit als auch die Schwere der Schübe reduzieren soll. Ein frühzeitiger Behandlungsbeginn ist entscheidend, um das Fortschreiten der Beschwerden zu verlangsamen. Im Idealfall wird bereits beim ersten MS-Schub sofort eine Therapie eingeleitet.

Schubtherapie

Standardmedikamente in der Schubtherapie sind (Glukokortikoide). Da sich Kortison und andere Glukokortikoide nur in der Stärke, nicht jedoch in der Wirkungsweise unterscheiden, bleiben wir im Folgenden beim Begriff Kortison. Oft verkürzt Kortison einen MS-Schub, indem es entzündungshemmend wirkt. Da eine Wirkung auf den Langzeitverlauf nicht belegt ist, Kortison aber gerade bei Dauereinnahme Nebenwirkungen hat, wird es in der Langzeitbehandlung der MS nicht eingesetzt.

So werden im akuten Schub möglichst frühzeitig nach Beginn der Beschwerden hochdosierte Kortisoninfusionen über wenige Tage verabreicht. Bei unzureichendem Erfolg kann die Behandlung nach zwei Wochen wiederholt werden. Anschließend ist eine Tabletteneinnahme für etwa zwei Wochen möglich.

Hilft auch die zweite Serie von Infusionen nicht oder verschlimmern sich die Beschwerden sogar, kann eine Plasmapherese (Plasmaaustauschbehandlung) vorgenommen werden, die aber nur in speziellen Zentren möglich ist. Dabei wird das Blut des Patienten ähnlich wie bei der Dialyse durch eine Maschine geleitet, sodass die flüssigen Bestandteile des Bluts (das sogenannte Plasma) entfernt und durch eine Eiweißlösung ersetzt werden. Bei dieser Methode werden im Blut gelöste schädliche Abwehrstoffe entfernt.

Verlaufsmodifizierende Therapie

Ziel der verlaufsmodifizierenden Therapie ist es, sowohl die Schwere und Häufigkeit der Schübe zu reduzieren als auch die Langzeitprognose zu verbessern. Dabei werden Medikamente eingesetzt, die das Abwehrsystem verändern – und damit die mutmaßliche Ursache der MS bekämpfen. Auch hier sollte möglichst früh mit der Behandlung begonnen werden, bestenfalls schon nach dem ersten Schub. In Deutschland sind hierfür eine Reihe von Medikamenten zugelassen. Ausführliche Informationen zu den Wirkstoffen und Wirkstoffmechanismen finden sich im Sondertext: Verlaufsmodifizierende Therapie der Multiplen Sklerose.

Beschwerdelinderung und Komplikationsvermeidung

Es kommt vor, dass sich einmal aufgetretene Beschwerden nicht mehr vollständig zurückbilden. Ein Großteil kann jedoch medikamentös gelindert werden, so etwa die Spastik oder heftiger Harndrang.

Medikamente der ersten Wahl bei der Therapie der Spastik sind die Wirkstoffe Baclofen und Tizanidin. Wirken diese Medikamente nicht, steht MS-Patienten ein cannabishaltiges Spray (Sativex®) zur Verfügung, das auf die Mundschleimhaut gesprüht wird und bei mittleren bis schweren Krampfzuständen hilft. Sativex® enthält zwar THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) – den psychoaktiven Inhaltsstoff der Cannabis-Pflanze –, löst aber keine rauschartigen Zustände aus. Grund dafür ist die Kombination mit der Substanz Cannabidiol. Eine zusätzliche Option sind Injektionen mit Botulinus-Toxin (Botox). Diese machen aber nur Sinn, wenn die Spastik zwar sehr heftig, aber lokal begrenzt ist (z. B. Oberschenkelinnenmuskulatur)

Zur Verbesserung der Gehfähigkeit und Gehstrecke hat sich Aminopyridin bewährt.

Beckenbodengymnastik und ein fester Trinkplan helfen dabei, wieder mehr Kontrolle über die Blasenfunktion zu erlangen. Auf keinen Fall sollten Betroffene aber das Trinken zu stark reduzieren, nur um ihren Harndrang besser kontrollieren zu können.

Bei koordinativen Störungen oder Sprachstörungen hat sich als sinnvoll erwiesen, frühzeitig mit begleitenden Maßnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie oder einer logopädischen Behandlung zu beginnen, da hierdurch die Beschwerden deutlich verbessert werden können. Die Therapie wird auf die Probleme jedes einzelnen Patienten zugeschnitten, wobei Bewegungsübungen möglichst in den Alltag integriert werden.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Die zwei Buchstaben MS stehen für Angst und Unsicherheit: Welche Auswirkungen wird die Erkrankung auf mein alltägliches Leben und meine Zukunftspläne haben? Muss ich meinen Beruf aufgeben? Was bedeutet meine Erkrankung für die Familie? Werde ich über kurz oder lang zum Pflegefall? Tatsächlich kann niemand vorhersagen, welche Einschränkungen und Folgeerscheinungen im Einzelfall zu erwarten sind – dafür ist der individuelle Krankheitsverlauf zu unterschiedlich. Diese Ungewissheit ist mindestens ebenso belastend wie die Bewältigung der Beschwerden.

  • Versuchen Sie, Ihre Erkrankung anzunehmen! Konzentrieren Sie sich auf Ihre Fähigkeiten, nicht auf die mit der Erkrankung verbundenen Beeinträchtigungen. Auch in Beruf und Privatleben sollten Sie sich nicht mehr Einschränkungen auferlegen als unbedingt nötig.
  • Wenn Sie Unterstützung brauchen, zögern Sie nicht, darum zu bitten und sie anzunehmen.
  • Bleiben Sie so aktiv, wie Sie können. Es spricht z. B. nichts dagegen, regelmäßig Sport zu treiben oder zu reisen – achten Sie aber darauf, dass Sie die Grenze Ihrer Belastbarkeit nicht überschreiten.
  • Stress kann Schübe auslösen. Finden Sie heraus, welche Stressfaktoren für Sie ungünstig sind. Um Stress abzubauen helfen auch Entspannungsverfahren.
  • Multiple Sklerose ist kein Grund, auf Kinder zu verzichten. Generell sollte eine Schwangerschaft in Rücksprache mit dem Neurologen und dem Frauenarzt geplant werden, da die MS-Medikamente rechtzeitig geändert oder abgesetzt werden müssen.

Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen und Freunden über Ihre Gefühle und Sorgen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, die praktischen Probleme zu lösen.

Ernährung. Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung mit reichlich pflanzlichen Produkten, ausreichend Fisch und wenig Fleisch ist die beste Ernährungsform für Multiple-Sklerose-Betroffene. Einige alternative Heilverfahren schreiben zwar rigide Diätvorschriften oder teure Spezialnahrung vor, aber bisher konnten weder eine spezielle (MS-)Diät noch die Einnahme von hoch konzentrierten Pflanzenextrakten, Vitaminen oder speziellen Nahrungsergänzungsmitteln eine nachhaltige Besserung oder gar Heilung bewirken. Falls Sie dennoch bestimmte Ernährungsprogramme ausprobieren möchten: Achten Sie darauf, dass der tägliche Nährstoffbedarf gedeckt wird und mit der Diät keine unzumutbare Einschränkung Ihrer Lebensqualität verbunden ist. Wenn Sie unsicher sind, besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob auch er eine Änderung Ihrer Ernährungsgewohnheiten befürwortet.

Rauchen sollte tabu sein. Regelmäßiger Nikotinkonsum ist nicht nur für Herz, Kreislauf und Atemwege schädlich, sondern scheint auch den Verlauf einer Multiplen Sklerose zu verschlechtern.

Infektionen können Schübe auslösen. Lassen Sie sich deshalb regelmäßig gegen Grippe impfen, verzichten Sie im Zweifelsfall auf einen Besuch bei einem erkrankten Gastgeber und vermeiden Sie in Grippezeiten allzu häufiges Händeschütteln. Sich aus Angst vor Infektionen zu isolieren, ist allerdings auch nicht sinnvoll.

Wärme meiden. Auch wenn hohe Temperaturen die Krankheit selbst nicht verschlimmern können, verursacht Wärme bei vielen Betroffen eine vorübergehende Verschlechterung der Beschwerden. Deshalb sollten Sie längere Aufenthalte in der Sonne meiden, besonders anstrengende Tätigkeiten auf kühlere Tageszeiten verlegen, auf Saunabesuche verzichten und mit lauwarmem Wasser baden oder duschen. Auch bei der Wahl des Urlaubsgebiets sollte die Temperatur berücksichtigt werden.

Impfungen abklären. Impfungen beeinflussen zwar das Immunsystem, wirken sich nach derzeitigem Kenntnisstand aber nicht auf den Krankheitsverlauf aus. Klären Sie aber trotzdem jede Impfung mit Ihrem Arzt und besprechen Sie mit ihm den günstigsten Zeitpunkt – bei einer medikamentösen Unterdrückung der Abwehr bleibt die Impfung eventuell wirkungslos oder darf gar nicht durchgeführt werden.

Tipps für Angehörige: Auch die Angehörigen müssen damit klarkommen, dass der Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose nicht vorhersehbar und damit nicht "planbar" ist. Im Idealfall ist der Kranke auch noch Jahre nach Krankheitsbeginn so wenig beeinträchtigt, dass er weiterhin seinen Beruf ausüben und seine Rolle in der Familie ausfüllen kann. Es kann aber auch sein, dass er pflegebedürftig oder sogar bettlägerig wird und auf eine Rundum-Betreuung angewiesen ist. Sobald sich eine solche Entwicklung abzeichnet, sollten Sie eruieren, welche Hilfen Ihnen zur Verfügung stehen. Die Bandbreite reicht von ambulanten Diensten über teilstationäre Tages- oder Nachtpflege bis hin zur vollstationären Betreuung in einem Pflegeheim. Auch der – zeitlich begrenzte – Aufenthalt in einem spezialisierten Rehabilitationszentrum kann in Betracht kommen, allerdings sollte vorher geklärt sein, ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt.

Generell sollten Sie – solange es geht und ohne den Betroffenen zu überfordern – dem Grundsatz "Hilfe zur Selbsthilfe" folgen: Bestärken Sie den Kranken immer wieder darin, seine vorhandenen Fähigkeiten in die Bewältigung des Alltags einzubringen und nehmen Sie ihm nur so viel ab wie unbedingt nötig.

Komplementärmedizin

Naturheilverfahren, Bewegungs- und Entspannungsübungen haben keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose. Einige können aber nachgewiesenermaßen bestimmte Symptome lindern und dadurch die Lebensqualität verbessern.

Pflanzenheilkunde. Einige Betroffene berichten von einem günstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf durch die regelmäßige Einnahme von Ginkgo-Extrakt (in Tropfen- oder Tablettenform). Demgegenüber kommen Studien zu dem Ergebnis, dass Ginkgo weder die Schubrate senken noch den Krankheitsverlauf verlangsamen kann. Es gibt allerdings Hinweise, dass Ginkgo sich positiv auf kognitive Störungen auswirken könnte. Da hoch konzentrierte Pflanzenextrakte ebenso wie synthetisch hergestellte Medikamente Nebenwirkungen haben können, muss das Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko sorgfältig abgewogen werden.

Vorsicht ist beim eigenhändigen Konsum von Cannabis geboten, dem u. a. eine nervenschützende Funktion nachgesagt wird. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die Pflanze bei MS einen unerwünschten entzündungsfördernden Effekt hat. Auf medizinisch geprüfte Medikamente mit Cannabis-Wirkstoffen trifft das natürlich nicht zu.

Fußreflexzonenmassagen.Fußreflexzonenmassagen haben sich bei Blasen-, Sensibilitäts- und motorischen Störungen bewährt. Ihre therapeutische Wirksamkeit bei diesen Begleiterscheinungen wurde inzwischen wissenschaftlich bestätigt.

Yoga. MS-Patienten, deren körperliche Leistungsfähigkeit es erlaubt, regelmäßig Yoga auszuüben, profitieren insbesondere von den Übungen, die darauf abzielen, Körperwahrnehmung und Beweglichkeit zu verbessern sowie psychische Anspannung abzubauen. Außerdem wirkt Yoga bei Müdigkeit und Erschöpfung. Durch Atemübungen können Sie einer abnehmenden Atemkapazität entgegenwirken. Wichtig ist, dass Sie Ihre persönliche Leistungsgrenze kennen und akzeptieren.

Qigong, Tai Chi und Feldenkrais.Qigong, Tai Chi und Feldenkrais helfen beim Abbau von Stress, der Steigerung des Körperbewusstseins und dem Erhalt der Beweglichkeit.

Akupunktur. Akupunktur kann im Anfangsstadium die Beschwerden lindern. Welche Akupunkturpunkte genadelt werden, richtet sich nach den individuellen Symptomen.

Homöopathie. Manche Betroffene berichten von positiven Effekten durch individuell abgestimmte Konstitutionsbehandlung aus der Homöopathie. Wenn es guttut, ist gegen eine solche Begleittherapie nichts einzuwenden – niemals sollte sie aber eine Therapie mit erprobten schulmedizinischen Medikamenten ersetzen.

Als äußerst kritisch zu bewerten sind alle Ansätze, bei denen tierische Substanzen gespritzt werden, etwa "Frischzellen" oder Thymusextrakte. Hier besteht, wie bei allen Fremdeiweißen, die Gefahr einer allergischen Reaktion und je nach Präparat auch die Gefahr, dass tierische Infektionen auf den Menschen übertragen werden. Auch "immunstimulierende" Verfahren erscheinen mehr als fragwürdig – es ist nicht auszuschließen, dass auf diese Weise zerstörerische Autoimmunprozesse angeheizt werden.

Weiterführende Informationen

  • www.leitlinien.net – Unter der Stichwortsuche finden Sie zum Begriff Multiple Sklerose die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnostik und Therapie.
  • www.dmsg.de – Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V., Hannover: Internetseite der größten deutschen MS-Fachgesellschaft, in der Betroffene über Patientenbeiräte organisiert sind.
  • www.kompetenznetz-multiplesklerose.de – Das Kompetenz Netz Multiple Sklerose erstellt in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der MS-Leitliniengruppe und dem ärztlichen Beirat der DMSG Therapiehandbücher. Hier wird für jedes Medikament auf erforderliche Sicherheitskontrollen, Gegenanzeigen und praktisches Vorgehen bei Therapieumstellung eingegangen.
  • G. Krämer; R. Besser: Multiple Sklerose – Antwort auf die häufigsten Fragen. Trias, 2006. Faktenreicher fachärztlicher Ratgeber mit umfangreichen Informationen und Tipps, Alltag und Erkrankung zu meistern. Hilfreiche Erstinformationen für Betroffene, Angehörige und Interessierte.
  • www.multiple-sklerose-e-v.de – Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e.V.: Hier finden MS-Betroffene Informationen zu Therapien, Akut- und Reha-Kliniken, den Umgang mit Behörden und Institutionen.

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